In dem nun mehrfach beschossenen Unifil-Hauptquartier im Libanon sind auch 40 deutsche Soldaten.
15.10.2024 - 07:41:33Blauhelme im Feuer: Libanon-Auftrag wird immer schwieriger. Die Männer und Frauen arbeiten mit ihren internationalen Partnern unter größeren Gefahren weiter.
Wegen mehrfacher Angriffe auf Posten der UN-Blauhelme im Südlibanon geht die Bundeswehr von größerer Gefahr für ihre Männer und Frauen in der Friedenstruppe Unifil aus. «Nach hiesiger Bewertung besteht für die Kräfte vor Ort eine erhöhte Gefährdungslage, die durch entsprechende Schutzmaßnahmen der Truppe bestmöglich reduziert wird», sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Etwa 40 Soldatinnen und Soldaten seien im Camp des UN-Hauptquartiers in Nakura. «Alle Angehörigen des deutschen Einsatzkontingents sind wohlauf», sagte der Sprecher. Auch die «Kieler Nachrichten» berichteten.
Unifil ist einer der ältesten UN-Friedenseinsätze
Aufgabe von Unifil ist es, die Einhaltung der Waffenruhe nach dem Libanon-Krieg 2006 zu überwachen. Die UN-Truppe unterstützt die libanesische Regierung dabei, die Seegrenzen zu sichern und den Waffenschmuggel über See zu verhindern. Nur - die Transporte von Rüstungsgütern wie aus dem Iran an die Hisbollah haben zuletzt ganz andere Wege als den Seeweg genommen.
Seit 1978 sind Unifil-Blauhelmsoldaten im Libanon stationiert, um sich für einen Frieden zwischen Libanon und Israel einzusetzen. Die Mission ist einer der ältesten friedenserhaltenden UN-Einsätze. Die Truppe mit mehr als 10.000 beteiligten UN-Soldaten ist bewaffnet, kann ihre Waffen im Wesentlichen aber nur zur Selbstverteidigung einsetzen.
Wiederholte Angriffe treffen Blauhelme im Südlibanon
Die Blauhelmsoldaten waren in den vergangenen Tagen mehrmals beschossen worden. Sie haben teils israelische Truppen als Urheber benannt, teils von einer unklaren Lage in den Kämpfen zwischen israelischen Soldaten und der Hisbollah gesprochen. Am Sonntag durchbrachen israelische Panzer gewaltsam das Haupttor eines UN-Postens in Ramja.
US-Präsident Joe Biden forderte die israelische Regierung auf, Angriffe auf Blauhelmsoldaten im Libanon zu stoppen. Ein UN-Sprecher in New York warnte: «Angriffe auf Friedenstruppen verstoßen gegen das Völkerrecht, einschließlich des humanitären Völkerrechts. Sie könnten ein Kriegsverbrechen darstellen.» Der Weltsicherheitsrat zeigte sich besorgt.
«Wir rufen alle Parteien dazu auf, die Sicherheit des Personals und der Einrichtungen von Unifil zu respektieren», sagte die Schweizer UN-Botschafterin Pascale Baeriswyl als amtierende Präsidentin des Sicherheitsrats im Namen aller 15 Mitglieder. Selbst Papst Franziskus rief eindringlich dazu auf, die UN-Beobachtermission Unifil zu respektieren.
Etwa 40 deutsche Soldaten sind im Unifil-Hauptquartier
Die noch im Libanon eingesetzten deutschen Soldaten halten sich im Hauptquartier der UN Mission in Nakura auf, so das Einsatzführungskommando. Die Männer und Frauen im Stab könnten den Auftrag wahrnehmen, sie seien jedoch durch die Kampfhandlungen rund um Nakura in ihrer Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt.
An der nun von israelischen Truppen überschrittenen Demarkationslinie zwischen dem Libanon und Israel («blue line») haben an dem UN-Einsatz beteiligte Staaten eine sogenannte Raumverantwortung: Sie sind für einen Streckenabschnitt zuständig. Unter den europäischen Truppenstellern der 50 beteiligten Staaten stellten nach Zahlen vom September Italien (1.068), Spanien (676) und Frankreich (673) die meisten Soldaten. Mehr Personal stellte Indonesien (1.231).
Deutschland hat entlang dieser Blauen Linie keine Soldaten stationiert. Zum deutschen Unifil-Auftrag gehört vor allem das Kommando über die multinationalen maritimen Einheiten vor der Küste des Libanons. Sie werden aus Nakura geführt. Die Deutsche Marine stellt auch die Korvette «Ludwigshafen am Rhein» für Unifil. Zusätzlich zum Hauptauftrag der Seeraumüberwachung unterstützen die Einheiten die UN-Mission durch Personal- und Materialtransporte über See.
Israelische Regierung fordert den Abzug der Unifil
An Land befindet sich die Posten der UN-Mission oftmals strategisch günstig auf Anhöhen mit guter Sicht. Solche Plätze will jeder militärischer Führer im Kampfeinsatz unter Kontrolle bringen, mindestens aber dem Feind verwehren. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat den sofortigen Abzug der UN-Beobachtermission aus der Kampfzone im Süden des Libanons gefordert.
Nutzt die Hisbollah die UN-Präsenz aus? Oder stören die UN-Soldaten Israel bei dem, was die Streitkräfte dort militärisch vorhaben? Es stimme wohl beides - sagen Experten. Auch, dass die Hisbollah eigene militärische Infrastruktur in räumlicher Nähe zu Unifil-Einrichtungen positioniere und die UN-Mission keine Handhabe dagegen gefunden habe.
Die insgesamt mehr als 10.000 Blauhelme stehen dem israelischen Einsatz im Wege. Zugleich machen die Vereinten Nationen deutlich, dass sie keinesfalls abziehen wollen. Im Blick ist dabei auch die weitere Entwicklung, also die Hoffnung auf einen Waffenstillstand und internationale Hilfe zur Deeskalation.
Bundesregierung: Kampfhandlungen nur gegen militärische Ziele richten
Die Bundesregierung kritisierte den Beschuss der UN-Friedenstruppe am Montag scharf und forderte Israel auf, die Hintergründe solcher Vorgänge aufzuklären. «Alle Konfliktparteien, auch die israelische Armee, sind verpflichtet, ihre Kampfhandlungen ausschließlich gegen militärische Ziele der anderen Konfliktpartei zu richten», sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin.
Eine große Herausforderung für die Missionsleitung ist es nun, die größeren und kleineren Posten inmitten der laufenden Kämpfe zu versorgen. Ob und wie Israel den Blauhelmen logistischen Verkehr verwehrt, wird genau beobachtet.
Am Wochenende hatte das israelische Militär laut UN eine wichtige «Unifil-Logistikbewegung» nahe dem libanesischen Grenzort Mais al-Dschabal gestoppt. Die Lieferung konnte demnach nicht abgeschlossen werden. Die Versorgung der eingebunkerten Blauhelme ist ein Rennen gegen die Zeit, bei dem die Unifil letztlich ohne lauten Knall gezwungen sein könnte, sich aus der Fläche zurückzuziehen.