Entgegen aller Erwartungen und trotz massiver Einschüchterungen konnte die Opposition bei den Wahlen in Pakistan punkten.
09.02.2024 - 16:44:37Pakistan: Schwierige Regierungsbildung nach Parlamentswahl. Wer die Atommacht künftig regiert, ist völlig offen.
Bei der Parlamentswahl in Pakistan haben Oppositionskandidaten überraschend gut abgeschnitten, eine Regierungsbildung wird damit schwieriger. Nach Auszählung von 236 der 266 Wahlkreise gewannen als unabhängig registrierte Kandidaten rund 40 Prozent der Parlamentssitze, wie aus einer Statistik der Wahlkommission hervorgeht. Laut pakistanischen Medien hat ein Großteil dieser Kandidaten Verbindungen zum inhaftierten Ex-Premier Imran Khan und dessen Oppositionspartei PTI. Deren Mitglieder durften nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs nur als unabhängige Kandidaten antreten. Durch das Vorgehen der Justiz galt die Opposition als weitgehend gelähmt.
Auf dem zweiten Platz folgte die PML-N des dreimaligen bisherigen Premiers Nawaz Sharif, der zuletzt als Favorit gehandelt wurde, mit gut 28 Prozent der Sitze. Noch am Abend nach der Wahl hatte seine Partei sich siegessicher gegeben und auf eine absolute Mehrheit gehofft. Die Volkspartei PPP mit ihrem 35 Jahre alten Spitzenkandidaten Bilawal Bhutto Zardari kam auf rund 22 Prozent. Zuletzt waren in dem Land mit mehr als 240 Millionen Einwohnern PML-N und PPP nach dem Sturz Imran Khans per Misstrauensvotum in einer breiten Regierungskoalition, mit einem Ministerpräsidenten der PML-N.
Pakistan steht nun vor einer schwierigen Regierungsbildung. Die PML-N und PPP dürften auch um die Gunst der unabhängigen Kandidaten werben. Immer wieder hatten pakistanische Politiker in der Vergangenheit ihre Loyalitäten gewechselt. Rund 130 Millionen Wahlberechtigte waren in der Atommacht dazu aufgerufen, über die Machtverteilung in der Nationalversammlung und den Provinzparlamenten abzustimmen.
Internetsperren und Manipulationsvorwürfe
Bereits Wochen vor der Wahl prangerten Politikexperten und Menschenrechtler wegen des harten Vorgehens gegen die Opposition unfaire Wahlbedingungen an. Aufgrund von Internetsperren am Wahltag und massiven Verzögerungen bei der Auszählung der Stimmen klagte die PTI über Manipulation. Das Innenministerium hatte die Abschaltung der mobilen Netze mit der angeblichen Sicherheit für die Wählerinnen und Wähler begründet.
Nächste Regierung steht vor großen Herausforderungen
Auf die neue Regierung wartet eine lange Liste an Herausforderungen. Terroranschläge, eine marode Wirtschaft mit hoher Inflation von fast 30 Prozent und die Folgen des Klimawandels. Auch die Weltbank bremste jüngst Erwartungen für die Wirtschaft des Landes mit 240 Millionen Einwohnern, die in den vergangenen Jahrzehnten einen Aufschwung erlebte, nach der Corona-Pandemie und den verheerenden Fluten im Sommer 2022 aber nur noch minimales Wachstum verzeichnete. Das Land leidet unter hoher sozialer Ungerechtigkeit und religiösem Extremismus. Die Bevölkerung ist angesichts der Machtkämpfe der politischen Führung weitgehend desillusioniert.
Sharif hatte im Wahlkampf vor allem auf populistische Positionen gesetzt. Der Geschäftsmann versprach etwa, die Wirtschaft anzukurbeln, Strompreise zu senken und zehn Millionen Jobs innerhalb von fünf Jahren zu schaffen. Bhutto Zardari hatte sowohl den inhaftierten Khan, als auch Sharif scharf angegriffen. Die Partei machte die schwere Wirtschaftskrise zum Wahlkampfthema und versprach, politische Gefangene freilassen zu wollen. Auch der Klimawandel war ein Thema der Partei. Die Provinz Sindh, eine Hochburg der PPP im Süden, war 2022 besonders von der Flutkatastrophe betroffen.
Angespannte Sicherheitslage - Spannungen mit Nachbarländern
In der Außenpolitik dürfte die nächste Regierung auch die Beziehung zu den Taliban, den neuen Machthabern im Nachbarland Afghanistan, beschäftigen. Seit einigen Jahren erstarken wieder militante Gruppen, allen voran die pakistanischen Taliban (TTP), die trotz ideologischer Nähe unabhängig von den Herrschern im Nachbarland agieren. Auch die Beziehung zum Rivalen Indien ist angespannt. Mit einem Multi-Milliarden-Wirtschaftskorridor ist das südasiatische Land in eine tiefe Abhängigkeit zu China gerutscht.
Der Südasien-Experte Michael Kugelman sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass Pakistans wichtigste Partner und Geber in den bilateralen Beziehungen mit Islamabad auch weiter auf das Militär setzen würden, das sie als einen wichtigen Gesprächspartner betrachten. «Es spielt keine Rolle, wer die Wahl gewinnt».