Endet die UN-Klimakonferenz morgen? Angesichts der zähen Verhandlungen rechnen fast alle mit einer Verlängerung.
11.12.2023 - 17:10:59COP28: Fossiler Ausstieg fehlt im Entwurf für Abschlusstext. Im Entwurf der Abschlusserklärung fehlt ein umstrittener Punkt.
Ein neuer Entwurf für den Abschlusstext der Weltklimakonferenz in Dubai sieht keinen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas mehr vor. In dem 21-Seiten-Papier ist nur noch von einer Reduzierung beim Verbrauch und der Produktion fossiler Brennstoffe die Rede. In einer vorherigen Version war der Ausstieg noch als eine von mehreren Optionen erwähnt worden. Umweltorganisationen reagierten enttäuscht - ebenso wie Staaten, die besonders von der Klimakrise bedroht sind.
Der Chef-Verhandler der vom steigenden Meeresspiegel bedrohten Marshall-Inseln, John Silk, sagte, man sei nicht nach Dubai gekommen, «um unser Todesurteil zu unterschreiben». Man werde nicht «stillschweigend in unsere wässrigen Gräber» steigen.
EU-Klimakommissar und Chef-Verhandler Wopke Hoekstra äußerte sich ebenfalls enttäuscht. Der von der Präsidentschaft der Vereinigten Arabischen Emirate vorgelegte Entwurf sei «eindeutig unzureichend» und inakzeptabel.
Baerbock enttäuscht von Entwurf für Abschlusstext
Außenministerin Annalena Baerbock sagte, der vorliegende Vorschlag der Präsidentschaft der Vereinigten Arabischen Emirate sei eine Enttäuschung. «Insgesamt ist er nicht ausreichend, wesentliche Elemente sind für uns als Europäische Union nicht akzeptabel.» Weiter sagte die Außenministerin, dem Entwurf fehlten überdies konkrete Instrumente, die es für die nötige Energiewende gerade in Regionen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas brauche - was diese Staaten in Dubai stark eingefordert hätten. EU-Klimakommissar und Chef-Verhandler Wopke Hoekstra äußerte sich ähnlich und nannte den Entwurf «eindeutig unzureichend» und inakzeptabel.
Der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser, ist «wirklich fassungslos», dass der Entwurf die Wünsche und Interessen der Öl- und Gasindustrie bediene, aber nicht der Menschen, die jetzt schon unter den Überschwemmungen und Dürren am meisten litten. Gerade beim Ausstieg aus den fossilen Energieträgern, die über 100 Staaten eingefordert haben, sei der Entwurf sehr unverbindlich. «Er kann, wenn er so verabschiedet wird, diese Konferenz zum Scheitern bringen», warnte Kaiser. Jetzt liege es an der Außenministerin und ihren EU-Kollegen, gemeinsam mit den Inselstaaten und den am meisten verwundeten Staaten dafür zu sorgen, «dass diese Unverbindlichkeit aus dem Dokument wegkommt» und es einen verbindlichen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas gebe.
Wird die Konferenz verlängert?
Die zweiwöchigen Verhandlungen sollen morgen Vormittag enden, waren aber zuletzt ins Stocken geraten. Wie immer in den vergangenen Jahren könnte die Konferenz in die Verlängerung gehen.
Konferenzpräsident Sultan al-Dschaber, zugleich Chef des staatlichen Ölkonzerns, deutete an, dass er noch Nachbesserungen am Text erwartet. «Wir müssen noch viele Lücken schließen», sagte er. «Wir müssen ein Ergebnis liefern, das die Wissenschaft respektiert und das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite hält.» Er erwarte von den Delegierten in allen Punkten höchste Ambition - «auch in Bezug auf die Sprache zu fossilen Brennstoffen».
Zuvor hatte mittags UN-Generalsekretär Antonio Guterres die knapp 200 Staaten noch aufgerufen, sich zusammenzuraufen und den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas im Abschlusstext festzuschreiben. «Jetzt ist es an der Zeit für maximalen Ehrgeiz und maximale Flexibilität», sagte er bei einem Auftritt vor der Weltpresse.
Der Oxfam-Experte Jan Kowalzig sagte, in dem Textentwurf fänden sich sogar die anderen angestrebten Ziele - eine Verdreifachung der erneuerbaren Energien und die Verdoppelung der Energieeffizienz - nicht als Ziel wieder, sondern nur als mögliche Maßnahme. «So darf die COP28 nicht enden», warnte er. Das 2015 in Paris vereinbarte Ziel, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen, werde mit diesem Entwurf «wohl aus dem Fenster geworfen». Auch Kowalzig forderte, die Europäische Union dürfe der Erklärung in keinem Fall zustimmen und müsse erhebliche Nachbesserungen einfordern.
Strittigster Punkt war seit Konferenzbeginn Anfang des Monats, ob sich die Staatengemeinschaft einstimmig auf einen Ausstieg aus den klimaschädlichen Energieträgern Kohle, Öl und Gas einigen kann. Etliche Länder leisteten Widerstand, darunter das ölreiche Saudi-Arabien, aber auch China, der Irak und Russland.
Viviane Raddatz, Klima-Chefin des WWF Deutschland, sagte, der Textentwurf enttäusche sehr und lasse befürchten, dass diese COP zu einem gigantischen Misserfolg führen könnte.
Außenministerin Baerbock hatte zuvor auf Instagram geschrieben, die Mehrheit aller Staaten wolle aus den fossilen Energien aussteigen. Einige Länder hätten aber Sorge, weil ihnen Unterstützung bei der Umsetzung fehle. «Wir wissen, dass es unsere Verantwortung als Industriestaaten ist, auch ihnen den Ausstieg zu ermöglichen. Und das werden wir tun.» Sie gab sich kämpferisch: «Was wir nicht tun werden, ist, vor denen einzuknicken, die alle Mittel haben - insbesondere finanzielle.»
Auch UN-Klimachef Simon Stiell pochte auf Ehrgeiz im Kampf gegen die Erderhitzung. «Jeder Schritt weg von den höchsten Ambitionen kostet unzählige Millionen Menschenleben - und zwar nicht im nächsten politischen oder wirtschaftlichen Zyklus, mit dem künftige Staats- und Regierungschefs zu kämpfen haben, sondern bereits jetzt, in jedem Land.» Weiter sagte er: «Die Welt schaut zu, so wie die 4000 Medienvertreter und tausende Beobachter hier in Dubai. Nirgendwo kann man sich verstecken.»
Klima-Aktivisten prangern Israel an
Ein Netzwerk von Umweltorganisationen vergab auf der COP28 den Negativpreis «Fossil des Tages» an Israel - mit drastischen Formulierungen zum laufenden Militäreinsatz im Gaza-Krieg. «Das Handeln Israels zielt darauf ab, das palästinensische Volk durch den sich entfaltenden Völkermord und ethnische Säuberung zu eliminieren», erklärte das Climate Action Network (CAN). Ihm gehören nach eigenen Angaben mehr als 1900 zivilgesellschaftliche Organisationen in mehr als 130 Staaten und auf internationaler Ebene an - darunter Greenpeace, Oxfam, WWF und Germanwatch. Die deutschen Organisationen gingen auf Distanz.