Die ehemalige serbische Provinz kommt nicht zur Ruhe.
30.05.2023 - 14:27:19Nach Ausschreitungen im Kosovo demonstrieren Serben weiter. Nach blutigen Zusammenstößen mit Nato-Soldaten demonstrieren Serben gegen neue albanische Bürgermeister.
Nach Zusammenstößen mit der internationalen Kosovo-Schutztruppe KFOR haben serbische Bewohner in drei Gemeinden im Norden des Landes ihre Proteste fortgesetzt. Die Kundgebungen vor den Gemeindeämtern der Orte Zvecan, Leposavic und Zubin Potok verliefen am Dienstag zunächst friedlich, wie örtliche Medien berichteten. Am Montagnachmittag hatten sich militante Serben in Zvecan Straßenschlachten mit einer Einheit der Nato-geführten KFOR geliefert.
30 KFOR-Soldaten, unter ihnen 19 Ungarn und 11 Italiener, erlitten Verletzungen, darunter Knochenbrüche und Verbrennungen, wie die Schutztruppe am Dienstag in Pristina mitteilte. «Die KFOR hat (...) auf die unprovozierten Angriffe einer gewalttätigen und gefährlichen Menge reagiert», hieß es in der Erklärung. Laut dem Krankenhaus in der nahen Stadt Mitrovica wurden 53 Serben verletzt.
Die Serben im Norden protestieren gegen den Amtsantritt neuer Bürgermeister, die aus der albanischen Volksgruppe kommen. Sie waren im Vormonat gewählt worden, wobei fast alle Serben die Gemeindewahlen boykottierten, weshalb die Wahlbeteiligung unter vier Prozent lag. Die serbischen Amtsträger in den Kommunen hatten ihre Funktionen im vergangenen November aus Protest gegen die Regierung in Pristina niedergelegt. Diese hatte damals durchzusetzen versucht, dass die Serben im Norden ihre Fahrzeuge mit kosovarischen Kennzeichen statt serbischen ausstatten.
EU verurteilt Gewalt und appelliert an Konfliktparteien
Die EU verurteilte die jüngsten Ausschreitungen. «Gewalttaten gegen Bürger, gegen Medien, gegen Strafverfolgungsbehörden und die KFOR-Truppen sind absolut inakzeptabel», sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Dienstag in Brüssel. Sie führten «zu einer sehr gefährlichen Situation». Beide Parteien müssten unverzüglich alles dafür tun, um zu deeskalieren und wieder für Ruhe zu sorgen.
Konkret forderte Borrell von den kosovarischen Behörden, die Polizeieinsätze einzustellen, und von den militanten Serben, sich zurückzuziehen. «Wir haben schon jetzt zu viel Gewalt in Europa. Wir können uns keinen weiteren Konflikt leisten», sagte er.
Der EU-Chefdiplomat versucht derzeit, zwischen den Regierungen Serbiens und des Kosovos zu vermitteln. Beide Länder sind am Donnerstag auch zum zweiten Gipfeltreffen der neuen Europäischen Politischen Gemeinschaft eingeladen. Es wird in Moldau organisiert und soll einen engeren Austausch der EU-Länder mit Partnern außerhalb der EU ermöglichen.
Was ist passiert?
Zu den Zusammenstößen in Zvecan kam es am Montag, als die KFOR-Truppe eine gewalttätig gewordene Menge unter Einsatz von Tränengas auflöste. Die militanten Serben bewarfen die internationalen Ordnungskräfte mit Brandsätzen, Steinen und Flaschen. Im Nord-Kosovo leben fast ausschließlich Serben, im Rest des Landes fast ausschließlich Albaner. Bereits am letzten Freitag war es in Zvecan zu Unruhen gekommen, als die kosovarische Polizei den neuen Bürgermeister ins Gemeindeamt eskortierte. Die KFOR-Truppen traten schließlich an die Stelle der Kosovo-Polizei, um die Amtsgebäude zu sichern.
Der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti machte das Nachbarland Serbien für die Ausschreitungen verantwortlich. Bei den Demonstranten im Norden handle es sich zum Großteil um «einen Haufen Extremisten unter Anleitung des offiziellen Belgrads», sagte er am späten Montagabend nach Angaben seines Amtes in einem Gespräch mit fünf westlichen Botschaftern, unter ihnen der Deutschlands. Am vergangenen Freitag hatten die Außenministerien dieser fünf Länder das Vorgehen der kosovarischen Polizei in Zvecan verurteilt.
Die Konflikte im Nord-Kosovo ziehen sich seit Jahren hin, seitdem das Kosovo, eine ehemalige serbische Provinz, 2008 seine Unabhängigkeit erklärt hatte. Serbien hat diesen Schritt bis heute nicht anerkannt und verlangt das Land zurück. Nach einem bewaffneten Aufstand der Kosovo-Albaner und einer Nato-Intervention gegen Serbien 1999 hatte die UN-Administration Unmik das Land verwaltet. Die KFOR wurde 1999 von den UN damit beauftragt, für die Sicherheit im Kosovo zu sorgen. Sie hat heute noch etwa 3800 Soldaten dort stationiert, unter ihnen knapp 70 Deutsche.