Die Bodenoffensive der israelischen Armee gegen die islamistische Hamas rückt näher.
23.10.2023 - 05:25:17Blutiger Häuserkampf in Gaza befürchtet. Experten erwarten einen blutigen Häuserkampf, der Monate dauern könnte. Die Entwicklungen im Überblick.
Während Israels Militär seine Vorbereitung für eine Bodenoffensive gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen mit nochmals verstärkten Luftschlägen vorantreibt, gehen die diplomatischen Bemühungen um eine Deeskalation weiter.
Am Dienstag wird Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu einem zweitägigen Besuch in Israel erwartet, wie der Élyséepalast mitteilte. Am Montag beraten zudem die Außenminister der EU darüber, wie ihre Staaten dazu beitragen können, eine Eskalation in Nahost zu verhindern.
Derweil beklagen UN-Organisationen, dass mit den ersten Hilfslieferungen in den Gazastreifen noch immer kein dringend benötigter Treibstoff in der abgeriegelten Enklave eintraf.
Israel Armee greift mehr als 320 Ziele im Gazastreifen an
Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben in den vergangenen 24 Stunden mehr als 320 Ziele im Gazastreifen angegriffen. Darunter seien Tunnel der islamistischen Hamas sowie Dutzende Kommandozentren und Überwachungsposten gewesen, teilte die Armee am Montag mit.
Armeesprecher Daniel Hagari sagte: «Wir greifen weiter Infrastruktur an, die eine Gefahr für Bodentruppen darstellen könnte.» Als Teil desssen seien unter anderem Abschussstellungen für Mörsergranaten beschossen worden. Die Armee bereite sich weiter auf «den Moment des Befehls vor - der Feind ist unter Druck, nicht wir». Der Sprecher sagte weiter: «Hamas-Terroristen verstecken sich in Gaza, unter Belagerung.» Hagari fügte hinzu: «Wir werden aktiv werden, wo und wann wir wollen.» Allgemein wird mit einer Bodenoffensive Israels im Gazastreifen gerechnet.
Hamas-Ministerium: Zahl der Toten steigt auf mehr als 5000
Die Zahl der getöteten Palästinenser im Gazastreifen ist seit Beginn des Krieges am 7. Oktober laut Hamas-geführtem Gesundheitsministerium auf 5087 gestiegen. Es seien zudem 15.273 Menschen verletzt worden, berichtete das Ministerium in Gaza.
Seit Beginn des Kriegs sind bisher mindestens 29 Mitarbeiter der Vereinten Nationen getötet worden. Das bestätigte eine Sprecherin des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Am Sonntag seien zwölf weitere Todesopfer aus dem Kreis der UN-Mitarbeiter bestätigt worden, womit die Zahl auf 29 gestiegen sei.
Israels Armee: Erneut «Terrorzelle» im Libanon getroffen
Israels Armee hat nach eigenen Angaben einen geplanten Raketenabschuss aus dem Libanon vereitelt. Es sei in der Nacht eine «Terroristenzelle» auf libanesischem Boden getroffen worden, wie das israelische Militär bekanntgab. Diese habe den Beschuss der israelischen Stadt Schelomi mit einer Panzerabwehrrakete geplant gehabt, hieß es. Man habe auch einen Raketenabschussposten getroffen.
Israel will angesichts der Eskalation der Angriffe durch die libanesische Hisbollah-Miliz weitere Ortschaften im Norden des Landes räumen. Verteidigungsminister Joav Galant habe die Evakuierung 14 weiterer Gemeinden gebilligt, teilte sein Büro am Wochenende mit. Vor einer Woche hatte Israel bereits eine Vier-Kilometer-Sperrzone im Grenzgebiet zum Libanon erklärt. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warnte die Hisbollah vor noch stärkeren Angriffen: In den Krieg einzutreten, wäre «der Fehler ihres Lebens», sagte er.
Experten befürchten monatelange Kämpfe am Boden
«Es wird viele Kollateralschäden geben», sagte der Militärhistoriker Danny Orbach von der Hebräischen Universität Jerusalem. Gemeint sind Opfer unter der Zivilbevölkerung. Israels Militär hat deshalb die Bevölkerung im nördlichen Gazastreifen wiederholt aufgefordert, das Gebiet Richtung Süden zu verlassen - doch dort gibt es für die Vertriebenen keine Versorgung. Und Angriffe gibt es auch dort. Das israelische Militär veröffentlichte in der Nacht auf der Plattform X (vormals Twitter) Luftaufnahmen, die zeigen sollen, wie die Hamas Raketenstellungen gegenüber einem UN-Gebäude, einer Moschee und Schulen postierte. «Die Hamas gefährdet unmittelbar die Menschen im Gazastreifen, Israelis und die internationale Gemeinschaft», hieß es.
Israels Verteidigungsminister Joav Galant rechnet mit möglicherweise monatelangen Kämpfen. «Es kann einen Monat dauern, zwei oder drei, aber am Ende wird es keine Hamas mehr geben», sagte Galant in Tel Aviv. Bevor die Hamas auf israelische Streitkräfte am Boden treffe, werde «der Feind» zunächst mit Luftschlägen konfrontiert werden. Die nächste Etappe werde «bald kommen». Kämpfe in urbanem Umfeld seien «extrem schwierig» und gingen nur langsam voran, sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin dem Sender ABC.
Besonders erschwert werde es durch das «unterirdische Tunnelnetz, das die Hamas im Laufe der Zeit gebaut hat, und aufgrund der Tatsache, dass sie viel Zeit hatte, sich auf einen Kampf vorzubereiten», sagte Austin und warnte: «Ich denke, wir werden einen Kampf sehen, der von vielen Sprengfallen und Sprengstoffanschlägen geprägt sein wird.»
Diplomatisches Ringen um Deeskalation geht weiter
Die Staats- und Regierungschefs der USA, Kanadas, Frankreichs, Deutschlands, Großbritanniens und Italiens bekräftigen bei einem gemeinsamen Gespräch ihre Unterstützung für Israel und sein Recht, sich «gegen Terrorismus zu verteidigen». Zugleich forderten sie «die Einhaltung des humanitären Völkerrechts, einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung», erklärte das Weiße Haus.
Derweil ringen die EU-Staaten gut zwei Wochen nach dem Angriff der Hamas auf Israel um Geschlossenheit in der Nahost-Politik. Vor dem Außenministertreffen am Montag in Luxemburg berichteten Diplomaten von zunehmenden Spannungen und erheblichen Meinungsunterschieden.
Auf der einen Seite stehen demnach Staaten wie Deutschland oder Ungarn, die den andauernden Gegenschlag der israelischen Armee grundsätzlich als legitime Selbstverteidigung ansehen. Auf der anderen Seite gibt es aber Länder wie Spanien, Irland und Belgien, die Israels Vorgehen im Gazastreifen kritisch sehen und angesichts der vielen zivilen Opfer eine humanitäre Waffenruhe fordern.
Armee: Mindestens 222 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt
Mindestens 222 Geiseln sind nach Angaben der israelischen Armee nach dem Terror-Überfall der islamistischen Hamas in den Gazastreifen verschleppt worden. Man habe die Angehörigen der Entführten informiert, sagte Armeesprecher Daniel Hagari am Montag. Unter den Geiseln sind auch deutsche Staatsbürger, mit denen die Bundesregierung allerdings keinen Kontakt hat. Die Armee geht davon aus, dass die meisten der Geiseln noch am Leben sind. Zwei US-amerikanische Geiseln wurden am Freitag freigelassen.
Das wird am Montag wichtig
Die Außenminister der 27 EU-Staaten wollen in Luxemburg über die Nahost-Krise und die weitere Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland beraten. Beim Thema Nahost geht es vor allem um die Frage, wie die EU dazu beitragen kann, eine regionale Eskalation des Konflikts zu verhindern.