Tod, Hamas-Anführer

Der gefährliche Konflikt im Nahen Osten droht sich nach der Tötung eines Anführers der islamistischen Hamas im Libanon zu verschärfen.

03.01.2024 - 05:45:15

Nach Tod von Hamas-Anführer droht Eskalation. Israels Armee schweigt, aber ihre Feinde drohen. Der Überblick.

  • Nach einem israelischen Luftangriff steigt Rauch über Gebäuden im Süden des Gazastreifens auf. - Foto: Abed Rahim Khatib/dpa

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  • In einem südlichen Vorort von Beirut wurden laut der libanesischen Nachrichtenagentur NNA infolge einer Explosion sechs Menschen in den Tod gerissen. - Foto: Stringer/dpa

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Nach einem israelischen Luftangriff steigt Rauch über Gebäuden im Süden des Gazastreifens auf. - Foto: Abed Rahim Khatib/dpaIn einem südlichen Vorort von Beirut wurden laut der libanesischen Nachrichtenagentur NNA infolge einer Explosion sechs Menschen in den Tod gerissen. - Foto: Stringer/dpa

Nach der Tötung eines Hamas-Anführers in Beirut hat es wieder Beschuss an der israelisch-libanesischen Grenze. Die mit der Hamas verbündete libanesische Schiitenmiliz Hisbollah gab Israel die Schuld am Tod des Vize-Leiters des Politbüros der Hamas, Saleh al-Aruri, und kündigte Vergeltung an.

Israels Armee registrierte eigenen Angaben nach mehrere Raketenstarts aus dem Nachbarland, die israelischen Zielen gegolten hätten. Das Militär griff demnach als Reaktion die Orte des Beschusses an. Soldaten hätten zudem Terroristen im Libanon sowie «die terroristische Infrastruktur der Hisbollah» dort attackiert.

Die Schiitenmiliz teilte mit, Ziele in Israel angegriffen zu haben. Die Hisbollah meldete auch zwei weitere getötete Mitglieder. Sie teilte aber nicht mit, wann und wo genau diese ums Leben gekommen sind.

Wer ist für die Explosion in Beirut verantwortlich?

Mossad-Chef David Barnea hat einem Bericht zufolge auf eine Beteiligung Israels hingewiesen. Jede arabische Mutter werde wissen, dass, wenn ihr Sohn an dem Massaker vom 7. Oktober beteiligt gewesen sei, sein Blut an seinem eigenen Kopf sein werde, zitierten israelische Zeitungen Barneas Worte auf der Beerdigung des früheren Mossad-Chefs Zvi Zamir. Die «Jerusalem Post» sah darin einen «deutlichen Hinweis» auf eine israelische Beteiligung an einer gezielten Tötung des Vize-Leiters des Politbüros der Hamas, Saleh al-Aruri, in Beirut. Barnea erwähnte ihn demnach aber nicht namentlich. Israel hat sich öffentlich nicht zu dem Vorfall geäußert.

Noch am Abend der Explosion hatte die Hisbollah-Miliz im Libanon Vergeltung angekündigt: «Dieses Verbrechen wird niemals ohne Antwort oder Strafe vorübergehen.» Fortschritte, um einen Geisel-Deal zu erreichen, seien nun nicht mehr möglich, meldete die israelische Zeitung «Haaretz» unter Berufung auf arabische Diplomatenkreise.

Das US-Außenministerium hatte ein Kopfgeld in Höhe von fünf Millionen US-Dollar (4,5 Mio Euro) auf al-Aruri ausgesetzt. Die USA stufen die Hamas wie die EU als Terrororganisation ein. Schon 2015 hatten die USA Al-Aruri als weltweit tätigen Terroristen designiert.

Hamas und Hisbollah geben Israel die Schuld

Der Vize-Leiter des Politbüros der Hamas war bei einer Explosion in Libanons Hauptstadt Beirut ums Leben gekommen, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen der Hisbollah erfuhr. Insgesamt starben dabei laut der mit der Hisbollah verbündeten Hamas sieben Menschen, darunter auch zwei Anführer des bewaffneten Arms der Hamas. Die Terrororganisation gab umgehend Israel die Schuld.

Al-Aruri, den Israel als Drahtzieher von Anschlägen im Westjordanland sah, galt schon länger als mögliches Anschlagsziel. Er soll für die Aktivitäten des militärischen Hamas-Arms im Westjordanland zuständig gewesen sein. Israel übernahm aber keine Verantwortung für al-Aruris Tötung, wie der Sicherheitsberater der israelischen Regierung betonte.

Israels Sicherheitsberater um Entschärfung bemüht

«Wer auch immer das getan hat, es muss klar sein, das dies keine Attacke auf den libanesischen Staat war. Es war nicht einmal eine Attacke auf die Hisbollah», sagte Mark Regev dem US-Fernsehsender MSNBC im offensichtlichen Bemühen um eine Entschärfung der explosiven Lage. Der mutmaßliche Angriff habe allein der Hamas gegolten.

Der französische Präsident Emmanuel Macron forderte die israelische Regierung auf, «jedes eskalierende Verhalten, insbesondere im Libanon, zu vermeiden». Das teilte der Élyséepalast in Paris am Dienstagabend nach einem Telefonat Macrons mit Benny Gantz, Minister in Israels Kriegskabinett, Medienberichten zufolge mit. Frankreich werde diese Botschaften der Zurückhaltung weiterhin an alle direkt oder indirekt beteiligten Akteure in dem Gebiet weitergeben, hieß es.

Hisbollah-Chef plant Rede

Seit Beginn des Gaza-Kriegs nach dem Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober kommt es immer wieder zu Konfrontationen zwischen Israels Armee und der Hisbollah in der israelisch-libanesischen Grenzregion. Dabei gab es auf beiden Seiten Tote. Es wird befürchtet, dass die Tötung von al-Aruri den Konflikt nun eskalieren könnte. Hinweise darauf könnte es heute geben - in einer am Abend geplanten Rede von Hassan Nasrallah, dem Chef der Hisbollah.

Medien: Regierung im Libanon wünscht keine Reaktion der Hisbollah

Nach der Tötung eines Hamas-Anführers in Beirut steht die Regierung im Libanon einem Medienbericht zufolge mit der Hisbollah im Kontakt, um sie von einer möglichen Gegenreaktion abzuhalten. Der geschäftsführende Außenminister, Abdallah Bou Habib, sagte dem britischen Radiosender BBC 4 am Dienstagabend, dass seine Regierung mit der Hisbollah spreche, um «sie davon zu überzeugen, dass sie nicht selbst reagieren sollte».

Hisbollahs Tunnelsystem rückt in den Blick

Wie die Hamas soll sie zudem über ein Tunnelsystem verfügen, das einem Medienbericht zufolge weit ausgefeilter sei als das der Hamas. Die unterirdischen Tunnel verliefen im Süden Libanons über Hunderte Kilometer bis zur Grenze nach Israel, zitierte die «Times of Israel» am Dienstag den Geheimdienstexperten Tal Beeri.

Die Hamas nutzt ihr eigenes Tunnelnetz als Schutz vor Israels massiven Bombardierungen und um sich zu verstecken. Außerdem nutzen die Terroristen die Tunnel, um aus dem Nichts aufzutauchen und hinterrücks die heranrückenden israelischen Soldaten anzugreifen. Auch sollen die Terroristen darin noch Geiseln aus Israel festhalten.

US-Institut: Israels Truppenreduzierung in Gaza hilft der Hamas

Israels Armee riskiert im Gaza-Krieg nach Einschätzung von US-Experten, mit einem Nachlassen der bisherigen Bombardierungen in die Hände der islamistischen Hamas zu spielen. Die israelischen Streitkräfte gingen im Norden des Gazastreifens zu einer Phase gezielter Schläge mit geringerer Truppenstärke über, was es der Hamas wahrscheinlich ermöglichen werde, sich militärisch neu zu formieren, hieß es in einem Bericht des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) vom Dienstag. Israels Armee hat jüngst fünf Brigaden abgezogen und einigen Reservisten die einstweilige Rückkehr ins Zivilleben erlaubt.

Israels Armee habe zwar mehrere Hamas-Einheiten dezimiert und andere kampfunfähig gemacht, vor allem im nördlichen Gazastreifen. «Aber die militärischen Kräfte der Hamas sind derzeit weder besiegt noch zerstört», erklärte das ISW. «Ein Nachlassen des israelischen Drucks würde es der Hamas vielmehr ermöglichen, ihre militärischen Fähigkeiten und ihre Infrastruktur wieder aufzubauen», hieß es.

Bericht: Keine Aussicht auf Verhandlung über Geisel-Deal

Unter der Vermittlung Katars, Ägyptens und der USA hatten sich Israel und die Hamas Ende November auf eine mehrtägige Feuerpause geeinigt. Während dieser Zeit wurden einige Geiseln im Austausch gegen palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freigelassen. Nach der mutmaßlichen Tötung von al-Aruri sind die Verhandlungen über ein mögliches neues Geisel-Abkommen zwischen den Kriegsparteien laut der Zeitung «Haaretz» zum Stillstand gekommen.

Die Gespräche konzentrierten sich nun darauf, eine Eskalation zwischen Israel und dem Libanon zu verhindern, meldete die israelische Zeitung am Dienstagabend unter Berufung auf arabische Diplomatenkreise. Das «Attentat» habe die Situation verändert.

USA üben scharfe Kritik an israelischen Ministern

Derweil kritisierte das US-Außenministerium Äußerungen aus Israels Regierung zu einer möglichen Vertreibung von Palästinensern aus dem Gazastreifen scharf. «Die Vereinigten Staaten weisen die jüngsten Äußerungen der israelischen Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir zurück, die sich für die Umsiedlung von Palästinensern außerhalb des Gazastreifens aussprechen», teilte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, mit.

«Diese Rhetorik ist aufrührerisch und unverantwortlich», sagte er. Der rechtsextreme Polizeiminister Ben-Gvir verbat sich jegliche Kritik aus den USA in der Sache: «Ich schätze die Vereinigten Staaten von Amerika sehr, aber bei allem Respekt, Israel ist kein weiterer Stern auf der amerikanischen Flagge», schrieb er auf X und fügte hinzu: «Die Vereinigten Staaten sind unser guter Freund, aber wir werden vor allem das tun, was für Israel das Beste ist.»

Neue Vorwürfe der WHO gegen Israels Armee

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warf Israel derweil «skrupellose» Angriffe auf ein Krankenhaus in der umkämpften Stadt Chan Junis im Süden des Gazastreifens vor. Nach Angaben des palästinensischen Rettungsdienstes Roter Halbmond seien bei den Angriffen mindestens fünf Zivilisten getötet worden, darunter ein fünf Tage alter Säugling, schrieb WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus auf der Online-Plattform X, früher Twitter.

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