Palästinensischer, UN-Vertreter

Das Blutvergießen im Gazastreifen geht weiter.

31.10.2023 - 04:51:31

Palästinensischer UN-Vertreter: Gaza ist «Hölle auf Erden». Eine Waffenruhe angesichts vieler toter Zivilisten lehnt Israel ab - und zieht einen Vergleich zum Kampf gegen die Nazis im Zweiten Weltkrieg. Ein Überblick.

  • Palästinenser verlassen nach einem israelischen Luftangriff ihre Häuser in Rafah. - Foto: Abed Rahim Khatib/dpa

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  • Bewohner des Kibbuz Nir Oz im Süden Israels trauern um ein Opfer der islamistischen Hamas. - Foto: Maya Alleruzzo/AP/dpa

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  • Leuchtraketen der israelischen Streitkräfte erhellen den Nachthimmel über Gaza-Stadt. - Foto: Abed Khaled/AP/dpa

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  • Israels UN-Botschafter Gilad Erdan trägt einen gelben Davidstern mit der Aufschrift «Never Again» («Nie Wieder»). - Foto: Eduardo Munoz Alvarez/AP/dpa

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  • Nachdem es von einem israelischen Luftangriff getroffen wurde, sitzen Palästinenser auf den Trümmern eines Hauses Chan Junis. - Foto: Fatima Shbair/AP

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  • Bilder von in den Gazastreifen entführten Menschen hängen an einer Kölner Synagoge. - Foto: Federico Gambarini/dpa

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Palästinenser verlassen nach einem israelischen Luftangriff ihre Häuser in Rafah. - Foto: Abed Rahim Khatib/dpaBewohner des Kibbuz Nir Oz im Süden Israels trauern um ein Opfer der islamistischen Hamas. - Foto: Maya Alleruzzo/AP/dpaLeuchtraketen der israelischen Streitkräfte erhellen den Nachthimmel über Gaza-Stadt. - Foto: Abed Khaled/AP/dpaIsraels UN-Botschafter Gilad Erdan trägt einen gelben Davidstern mit der Aufschrift «Never Again» («Nie Wieder»). - Foto: Eduardo Munoz Alvarez/AP/dpaNachdem es von einem israelischen Luftangriff getroffen wurde, sitzen Palästinenser auf den Trümmern eines Hauses Chan Junis. - Foto: Fatima Shbair/APBilder von in den Gazastreifen entführten Menschen hängen an einer Kölner Synagoge. - Foto: Federico Gambarini/dpa

Während Israels Bodentruppen verstärkt im Gazastreifen gegen die islamistische Hamas vorrücken, hat der palästinensische Vertreter bei den Vereinten Nationen mit drastischen Worten auf das Leiden der Zivilbevölkerung hingewiesen. Bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates sagte Riad Mansur mit Blick auf die heftigen Kämpfe: «Gaza ist jetzt die Hölle auf Erden.»

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu lehnt jedoch trotz Kritik an der hohen Zahl ziviler Opfer eine Waffenruhe ab und verglich den Krieg gegen die Hamas mit dem Kampf der Alliierten gegen die Nazis. Israels UN-Botschafter Gilad Erdan steckte sich derweil vor dem Weltsicherheitsrat einen gelben Davidstern mit den Worten «Never Again» («Nie Wieder») ans Revers. Dies erinnert an Sterne, die die Nazis im Dritten Reich Juden als Kennzeichen aufgezwungen hatten.

Israels Bodentruppen rücken weiter vor

Israel treibt nach eigenen Angaben die Bodeneinsätze im Gazastreifen voran. «Hunderte Ziele der mörderischen Hamas-Terrororganisation» seien bei «koordinierten Luft- und Bodenangriffen» attackiert worden, teilte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari mit.

Dabei sei auch ein führender Kommandant des Terror-Überfalls im Süden Israels am 7. Oktober getötet worden. Angaben zu den Standorten der Truppen oder einer Verstärkung der Einheiten machte er nicht.

«Während wir sprechen, kämpfen unsere Soldaten auf dem Schlachtfeld, (...) beteiligen sich an heftigen Nahkämpfen, bei denen sie Terroristen beseitigen», sagte er. «Die kommenden Wochen werden Widerstandsfähigkeit und Geduld von uns allen verlangen», sagte er.

Hamas bestätigt Kämpfe

Im Gazastreifen ist es nach Angaben der islamistischen Hamas zu Kämpfen mit israelischen Bodentruppen an mehreren Punkten rund um die Stadt Gaza gekommen. Israel äußerte sich zunächst nicht zum Standort seiner Truppen.

Wie der militärische Arm der islamistischen Hamas, die Kassam-Brigaden, mitteilte, hatten Kämpfer südlich der Stadt Gaza unter anderem mit Panzerabwehrraketen und Sprengsätzen vier Fahrzeuge der israelischen Armee angegriffen. Nordwestlich von Gaza seien ein Panzer und ein Bulldozer mit zwei Panzerabwehrraketen angegriffen, nördlich der Stadt weitere Fahrzeuge beschossen worden.

Zudem seien Soldaten zu Fuß nahe des Grenzübergangs Kerem Schalom im Südosten des Gazastreifens mit Mörsergranaten beschossen worden, hieß es. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Israel zieht Vergleich zum D-Day

Er werde den Stern tragen, so wie seine Großeltern und die Großeltern von Millionen Juden, sagte Israels UN-Botschafter an den Sicherheitsrat gewandt. «Wir werden den Stern tragen, bis Sie die Gräueltaten der Hamas verurteilen und Sie die sofortige Freilassung unserer Geiseln fordern». Terroristen der im Gazastreifen herrschenden Hamas hatten am 7. Oktober in Israel ein Massaker unter Zivilisten angerichtet. Mehr als 1400 Menschen starben dabei und in den folgenden Tagen.

Erdan verglich Israels Bodenoffensive mit der Landung der Alliierten 1944 in der Normandie. Hätte es den Weltsicherheitsrat am 6. Juni 1944, auch als D-Day bekannt, gegeben, hätte es vermutlich auch eine heftige Debatte darüber gegeben, wie viel Strom und Treibstoff die Münchner Bürger noch hätten, spottete er vor dem UN-Sicherheitsrat.

Der palästinensische UN-Vertreter Mansur flehte dagegen: «Behandeln Sie uns wie Menschen mit dem Respekt, den wir verdienen. Wir sind keine Untermenschen. Wir sind nicht von einem anderen Planeten.»

UN-Hilfsorganisation: Bevölkerung wird entmenschlicht

Der Chef des UN-Palästinenserhilfswerks (UNRWA) drängte auf eine Ausweitung der humanitären Hilfe für den Gazastreifen. Eine Handvoll Konvois wie bislang reiche für mehr als zwei Millionen Notleidende nicht aus, sagte UNWRA-Generalkommissar Philippe Lazzarini.

Die meisten Menschen im Gazastreifen fühlten sich in einem Krieg gefangen, mit dem sie nichts zu tun hätten. «Sie haben das Gefühl, dass die Welt sie alle mit der Hamas gleichsetzt. Das ist gefährlich. Und das wissen wir nur zu gut aus früheren Konflikten und Krisen. Eine ganze Bevölkerung wird entmenschlicht», warnte Lazzarini.

Akuter Treibstoffmangel wirkt sich nach UN-Angaben bereits auf die Wasserversorgung der Bewohner Gazas aus. «Nur eine Entsalzungsanlage arbeitet mit lediglich einer Kapazität von fünf Prozent, während alle sechs Wasseraufbereitungsanlagen im Gazastreifen aufgrund von Treibstoff- oder Strommangels derzeit außer Betrieb sind», sagte die Direktorin des UN-Kinderhilfswerks Unicef, Catherine Russell.

31 Journalisten getötet

Im Gaza-Krieg sind nach Angaben einer Nichtregierungsorganisation (NGO) bisher 31 Journalisten getötet worden. Unter ihnen seien 26 Palästinenser und vier Israelis sowie ein Libanese, teilte das in den USA ansässige Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) mit. Der Krieg fordere von Journalisten einen hohen Tribut. In Gaza seien Journalisten «angesichts einer Bodenoffensive (...), verheerenden Luftangriffen Israels, unterbrochener Kommunikation und ausgedehnten Stromausfällen» besonders hohen Risiken ausgesetzt.

Bisher wurden dem CPJ zufolge acht Journalisten verletzt, neun weitere gelten als vermisst oder festgenommen. Zudem gebe ist nicht bestätigte Berichte über weitere Todesfälle, Fälle von Verschwinden sowie Bedrohungen gegen und Schäden an Büros von Medienhäusern und Wohnstätten von Journalisten. «Journalisten in der Region erbringen große Opfer, um über diesen herzzerreißenden Konflikt zu berichten», hieß es. Vor allem diejenigen im Gazastreifen würden einen «beispiellosen Tribut» zahlen und seien «außerordentlichen Bedrohungen» ausgesetzt.

26 Lastwagen bringen Hilfsgüter in Gazastreifen

Im Gazastreifen sind weitere 26 Lastwagen mit dringend benötigten Hilfsgütern eingetroffen. Sie hätten Essen und Arzneimittel von Ägypten über die Grenze gebracht, teilte der Palästinensische Rote Halbmond mit.

Damit seien seit Beginn des Kriegs zwischen Israel und der Palästinenserorganisation Hamas insgesamt 144 Lkw in dem abgeriegelten Küstengebiet eingetroffen. Das UN-Nothilfebüro OCHA zählte dagegen bisher die Ankunft von 143 Lkw. Die Lieferung von Treibstoff sei weiterhin nicht genehmigt worden, hieß es.

Die Vereinten Nationen betonen immer wieder, dass die Lieferungen angesichts der dramatischen humanitären Lage in Gaza bei Weitem nicht reichen. «Die Handvoll Konvois, die durch (den Grenzübergang) Rafah gelassen wird, ist nichts im Vergleich zu den Bedürfnissen von mehr als zwei Millionen in Gaza gefangenen Menschen», sagte Philippe Lazzarini, Generalkommissar des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA.

Laut UN werden täglich eigentlich 100 Lastwagenladungen benötigt, um die 2,2 Millionen Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen. Vor Kriegsbeginn kamen dem UN-Nothilfebüro OCHA zufolge im Durchschnitt unter der Woche täglich 500 Lkw in den Gazastreifen.

Erneut Rufe nach Waffenstillstand

Sie flehe den Weltsicherheitsrat an, unverzüglich eine Resolution zu verabschieden, die die Parteien an ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen erinnere, sagte Russell. Dazu gehöre auch ein Waffenstillstand. Der palästinensische UN-Vertreter Mansur zitierte den ehemaligen UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld mit den Worten: «Die Vereinten Nationen wurden nicht gegründet, um uns in den Himmel zu bringen, sondern um uns vor der Hölle zu retten.» Dies bedeute nichts anderes als die Rettung der Palästinenser in Gaza, forderte Mansur.

Israel lehnt eine Waffenruhe jedoch weiterhin ab. «So wie die USA nach der Bombardierung von Pearl Harbor oder dem Terroranschlag vom 11. September keiner Waffenruhe zugestimmt hätten, wird Israel einem Stopp der Kämpfe mit der Hamas nach den schrecklichen Angriffen des 7. Oktobers nicht zustimmen», so Regierungschef Netanjahu gestern vor Journalisten. «Aufrufe an Israel, einer Waffenruhe zuzustimmen, sind Aufrufe, gegenüber der Hamas, gegenüber Terrorismus, gegenüber der Barbarei zu kapitulieren. Das wird nicht passieren.»

Zahl der Toten in Gaza steigt

Die Zahl der getöteten Palästinenser im Gazastreifen ist seit Beginn des Krieges am 7. Oktober laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde auf 8525 gestiegen. Zudem seien 21.543 Menschen verletzt worden, teilte die Behörde in Gaza mit. Die Zahlen lassen sich gegenwärtig nicht unabhängig überprüfen.

@ dpa.de