Digitale, Barrierefreiheit

Digitale Barrierefreiheit: Deutschland muss nachbessern

02.12.2025 - 18:59:12

Vor dem Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen verschärft sich die Kritik an fehlender digitaler Barrierefreiheit in Deutschland. Der Deutsche Beamtenbund fordert die Bundesregierung auf, bestehende Lücken zu schließen – und setzt dabei auf die Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG).

Ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) für die Privatwirtschaft rückt nun der öffentliche Sektor in den Fokus. Die entscheidende Kabinettssitzung ist für Mitte Dezember angesetzt. Wie steht es wirklich um die digitale Inklusion im Land – und welche Weichen müssen jetzt gestellt werden?

Der Deutsche Beamtenbund (dbb) lässt am Dienstag keinen Zweifel: Die bisherigen Fortschritte bei der digitalen Barrierefreiheit reichen nicht aus. „Wir müssen alle Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen besser unterstützen und integrieren”, erklärt Maik Wagner, stellvertretender Bundesvorsitzender des dbb. „Das Behindertengleichstellungsgesetz spielt dabei eine zentrale Rolle.”

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Wagner verweist auf die demografische Entwicklung: Mit zunehmendem Alter der Gesellschaft steigt auch die Zahl der Betroffenen. Digitale Barrieren – unzugängliche Websites, komplizierte Formulare, fehlende Gebärdensprache-Optionen – verwehren Millionen Bürgern faktisch ihre Rechte. Der dbb fordert daher strikte Vorgaben für alle digitalen Infrastrukturen des Bundes.

Das Bundesarbeitsministerium (BMAS) hat für den 17. Dezember die Kabinettsentscheidung über den BGG-Gesetzentwurf angekündigt. Für 13 Millionen Menschen mit Behinderungen in Deutschland könnte das zur Weichenstellung werden.

BFSG zeigt Wirkung – mit Lücken

Seit dem 28. Juni gilt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz für die Privatwirtschaft. Online-Shops, Banken und Telekommunikationsanbieter müssen ihre digitalen Angebote barrierefrei gestalten. Die EU-Richtlinie wurde damit in deutsches Recht umgesetzt.

Doch wie sieht die Bilanz nach sechs Monaten aus? Experten vom Deutschen Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) diskutierten das am Montag in einem Podcast. Sven Niklas von der Bundesfachstelle Barrierefreiheit berichtet: Große Player haben reagiert, kleinere Anbieter hinken hinterher.

Die „Übergangsfrist-Mentalität” hält sich hartnäckig – trotz abgelaufener Deadline. Doch die Rechtslage ist klar: Verbraucher können nicht-konforme Dienste bei Marktüberwachungsbehörden melden. Die wahre Bewährungsprobe steht bevor: Erst 2026 werden konsequente Durchsetzungsmaßnahmen erwartet.

Mönchengladbach als Beispiel

Was bedeuten Bundesgesetze konkret vor Ort? Die Stadt Mönchengladbach präsentierte am Montag ihren Inklusionsbericht 2025. Das Dokument zeigt: Barrierefreiheit ist längst nicht mehr nur eine Frage von Rampen und Aufzügen.

Digitale Schnittstellen rücken in den Mittelpunkt. Das BFSG verschiebt Verantwortung auch auf private Anbieter in der Kommune – Verkehrsbetriebe, Einzelhändler. Die Stadt muss dieses Ökosystem jetzt überwachen und dokumentieren.

Solche lokalen Berichte liefern die Daten, die zeigen, ob Bundesvorgaben wie BGG und BFSG tatsächlich ankommen. Ohne diese Rückkopplung bleiben Gesetze zahnlose Tiger.

Die Kluft zwischen privat und öffentlich

Deutschland hat ein Synchronisationsproblem. Die Privatwirtschaft arbeitet unter dem strengen BFSG-Regime mit EU-Marktüberwachung. Der öffentliche Sektor hingegen operiert unter dem älteren BGG – das nach Ansicht der Kritiker dringend modernisiert werden muss.

Die Folge? Online-Banking funktioniert barrierefrei per Screenreader, die Steuererklärung auf dem Behördenportal aber nicht. Die Inklusionskette reißt genau dort, wo Bürger auf staatliche Dienstleistungen angewiesen sind.

„Die Harmonisierung privater und öffentlicher Barrierefreiheits-Standards ist der logisch nächste Schritt”, sagt die Digitalpolitik-Analystin Dr. Elena Weber. „Mit der BGG-Reform muss die Regierung die Lücke schließen, die sie selbst geschaffen hat – indem sie die Wirtschaft schneller regulierte als sich selbst.”

Was kommt jetzt?

Alle Blicke richten sich auf den 17. Dezember. Wird das Kabinett den BGG-Entwurf durchwinken? Falls ja, dürften 2026 neue Fristen für die Modernisierung bundesweiter IT-Systeme und digitaler Portale folgen.

Parallel verschärft sich die BFSG-Kontrolle. Unternehmen, die auf Kulanz gehofft haben, müssen 2026 mit Überprüfungen rechnen. Die Europäische Kommission wird zudem die EAA-Umsetzung in den Mitgliedstaaten evaluieren – Deutschland steht dabei unter Beobachtung.

Der morgige Internationale Tag der Menschen mit Behinderungen wird beides sein: Würdigung erreichter Fortschritte und Mahnung, wie viele digitale Barrieren noch warten. Für 13 Millionen Betroffene geht es um mehr als technische Anpassungen – es geht um gleichberechtigte Teilhabe in einer digitalisierten Gesellschaft.

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